Freitag, 24. Juni 2016

Schmerzhafte Tierversuche und die genehmigenden Behörden


Am 17. Februar 2016 veröffentlichten "Ärzte gegen Tierversuche" folgende Pressemitteilung:

Deutschland quält Tiere gegen EU-Willen

Ratten mit Elektroschocks traktiert, um Depression zu simulieren

Wie die bundesweiten Vereine Ärzte gegen Tierversuche, Bund gegen Missbrauch der Tiere und TASSO aktuell aufgedeckt haben, werden in Deutschland Tierversuche durchgeführt, die die EU den Mitgliedstaaten eigentlich verboten hat. Ratten und Mäuse müssen bis zur Erschöpfung schwimmen oder werden bis zur Hilflosigkeit mit Elektroschocks traktiert – unter dem Deckmantel der Depressionsforschung. Aus Sicht der Vereine ein Skandal und krasser Widerspruch zum Tierschutzrecht.

Am Institut für Molekulare Psychiatrie der Universität Bonn werden Mäuse wochenlang Stressversuchen ausgesetzt, die ein Verhalten ähnlich einer Depression hervorrufen sollen: sie werden unter anderem fixiert, Lichtblitzen sowie Nahrungs- und Wasserentzug ausgesetzt. Vor, während und nach der Stressperiode wird der „forcierte Schwimmtest“ oder „Verzweiflungstest“ durchgeführt, bei dem eine Maus in einen mit Wasser gefüllten Behälter gesetzt wird, aus dem es kein Entkommen gibt. Mäuse, die früh aufhören zu schwimmen, gelten als depressiv.

Ferner werden am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim Ratten in Experimenten Elektroschocks ausgesetzt, indem das Bodengitter, auf dem sie sitzen, unter Strom gesetzt wird. Wenn sie nicht mehr aufspringen, gelten sie als „erlernt hilflos“ und werden als „Modell“ für Depression eingesetzt.



Diese Nachricht nahmen wir zum Anlass, eine Anfrage an die genehmigende Behörde, das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) zu schicken.

Die erste Antwort des LANUV auf unsere Fragen möchte ich jetzt hier veröffentlichen.

Um die nichtssagenden Antworten überhaupt verständlich zu machen, setze ich unsere Frage in Kursivschrift in die Abschrift ein.

Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen
LANUV NRW

Schreiben vom 11.04. 2016

Sehr geehrte.....

mit Ihrer E-Mail vom 14.03.2016 baten sie um Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW (IFG NRW).

Ihre Anfrage möchte ich wie folgt beantworten:

1) Ist Ihre Behörde zuständig und verantwortlich für die Tierversuche am Institut für molekulare Psychiatrie der Universität Bonn?



Das LANUV ist für die Genehmigung von Tierversuchen in NRW zuständig, auch von solchen die am Institut für Molekulare Psychiatrie der Universität Bonn durchgeführt werden. Für die Durchführung der Tierversuche ist der Leiter des Versuchsvorhabens bzw. dessen Stellvertreter verantwortlich ( vgl. § 9 Abs. 6 (TschG) § 30 Tierschutz-Versuchstierverordnung) (TierSchVersV).

2) Sind von Ihnen folgende Tierversuche genehmigt worden:
Am Institut für Molekulare Psychiatrie der Universität Bonn werden Mäuse wochenlang Stressversuchen ausgesetzt, die ein Verhalten ähnlich einer Depression hervorrufen sollen: unter anderem werden sie fixiert, Lichtblitzen sowie Nahrungs- und Wasserentzug ausgesetzt.

Auch wird der sogenannte „forcierte Schwimmtest“ oder „Verzweiflungstest“ durchgeführt, bei dem eine Maus in einen mit Wasser gefüllten Behälter gesetzt wird, aus dem es kein Entkommen gibt. Mäuse, die vergleichsweise früh aufhören zu schwimmen, gelten als depressiv.

Falls diese Versuche durch Ihre Behörde genehmigt wurden, haben Sie die Richtlinie EU/2010/63 und die TierSchVersV § 25, Satz 1,2 berücksichtigt?

(1) Tierversuche an Wirbeltieren oder Kopffüßern, die bei den verwendeten Tieren zu voraussichtlich länger anhaltenden oder sich wiederholenden erheblichen Schmerzen oder Leiden führen, dürfen nur durchgeführt werden, wenn die angestrebten Ergebnisse vermuten lassen, dass sie für wesentliche Bedürfnisse von Mensch oder Tier einschließlich der Lösung wissenschaftlicher Probleme von hervorragender Bedeutung sein werden.

(2) Tierversuche nach Absatz 1 dürfen nicht durchgeführt werden, wenn die erheblichen Schmerzen oder Leiden länger anhalten und nicht gelindert werden können. Abweichend von Satz 1 kann die zuständige Behörde die Durchführung eines Tierversuchs nach Satz 1 genehmigen, soweit die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und wissenschaftlich begründet dargelegt ist, dass die Durchführung des Tierversuchs wegen der Bedeutung der angestrebten Erkenntnisse unerlässlich ist.
Ob die von Ihnen Manipulationen bzw. Modelle ggf. in einem Versuchsvorhaben eingesetzt werden, kann ohne Benennung eines konkreten Aktenzeichens nicht geprüft werden. Eine Zuordnung ohne diese Angabe ist schlichtweg unmöglich.

3. Bitte legen sie verständlich dar, warum Sie glauben, dass die Ergebnisse o.g. Tierversuche für wesentliche Bedürfnisse von Mensch oder Tier einschließlich der Lösung wissenschaftlicher Probleme von hervorragender Bedeutung sein werden?


Da eine Zuordnung der Versuche- wie bereits beschrieben- nicht möglich ist, verweise ich allgemein auf die Bestimmungen der Tierschutzversuchsverordnung bzw. des Tierschutzgesetzes. Gemäß § 31 Absatz 1 Nr.2 TSchVersV muss der Antragsteller im Rahmen des Genehmigungsverfahrens darlegen, dass alle geforderten Voraussetzungen für die Genehmigung des Versuchsvorhabens vorliegen. Sofern ein Versuchsvorhaben unter § 25 TSchVersV fällt, wird ebenfalls eingehend durch die Kommission nach § 15 TierSchG und die genehmigende Behörde geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung erfüllt sind.

4.) Gab es in der Vergangenheit Heilungen von Krankheiten oder erfolgsversprechende Therapien durch o.g. Versuche?

Bitte benennen Sie diese.

Die EU Verordnung 2010/63 besagt:

"Aus ethischer Sicht sollte es eine Obergrenze für Schmerzen, Leiden und Ängste geben, die in wissenschaftlichen Verfahren nicht überschritten werden darf. Hierzu sollte die Durchführung von Verfahren, die voraussichtlich länger andauernde und nicht zu lindernde starke Schmerzen, schwere Leiden oder Ängste auslösen, untersagt werden."


Sie zitieren lediglich den Erwägungsgrund N. 23 zur Richtlinie 2010/63/EU.


5) In welchen Instituten der Universitäten, bzw. Labors in NRW u.ä. werden folgende Tierversuche durchgeführt:

• Schwimmen bis zur Erschöpfung, um Depression zu simulieren („forcierter Schwimmtest")
• Elektroschocks, denen das Tier nicht entkommen kann („erlernte Hilflosigkeit“)
• Tod durch Vergiftung
• Wirksamkeitstests von Impfstoffen
• Bestrahlung mit Todesfolge
• Tod durch Abstoßungsreaktion von Transplantaten
• Knochentumore, metastasierende Tumore und fortschreitende, tödliche Tumore
• Knochenbrüche
• Versagen mehrerer Organe
• Xenotransplantation (Organtransplantation von einer Tierart auf eine andere)
• Anzüchten von mit schwerem Leid verbundenen genetischen Störungen, z.B. Huntington Krankheit
• längere Einzelhaltung von Primaten oder Hunden
• Immobilisierung zur Herbeiführung von Magengeschwüren oder Herzversagen
• Infektion (oft mit bis zu 100% Sterberate)
• Entzündungen mit Todesfolge
• Wasser- oder Futterentzug
• künstlich ausgelöster Schlaganfall
• Herzinfarkt/Herzversagen am wachen Tier
• Hirnversuche an u.a. Affen, Katzen und Mäusen, Tauben und Hunden

(Info: Ärzte gegen Tierversuche e.V.)

Ich verweise zur Beantwortung auf die Ausführungen zu Frage 2.

6) Werden die Tiere nach Abschluß der Versuche von einem Tierarzt, wie es das Tierschutzgesetz vorschreibt, getötet?


Im TschG existiert keine Vorgabe zur ausschließlichen Tötung von Versuchstieren nach Abschluss der Versuche. Vielmehr finden sich Regelungen zur Tötung von (Wirbel) Tieren in § 4.


7. Werden Tiere nach Abschluß der Versuche von einem Tierarzt, wie es das Tierschutzgesetz vorschreibt, evtl. gesund gepflegt?

Gibt es Nachweise hierüber? S. Tierschutz-Gesetz § 9 Abs. 4:

(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und, soweit artenschutzrechtliche Belange berührt sind, dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Anforderungen an
1. für die Durchführung von Tierversuchen bestimmte Räumlichkeiten, Anlagen und Gegenstände,

2. den Fang wildlebender Tiere zum Zwecke ihrer Verwendung in Tierversuchen einschließlich der anschließenden Behandlung der Tiere und der hierfür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten und

3. die erneute Verwendung von Tieren in Tierversuchen
festzulegen. Das Bundesministerium wird ferner ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und, soweit artenschutzrechtliche Belange berührt sind, dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Behandlung eines in einem Tierversuch verwendeten Tieres nach Abschluss des Tierversuchs zu regeln und dabei

1. vorzusehen, dass das Tier einem Tierarzt vorzustellen ist,

2. vorzusehen, dass das Tier unter bestimmten Voraussetzungen zu töten ist, und

3 .Anforderungen an die weitere Haltung und medizinische Versorgung des Tieres festzulegen.


Im TschG existiert keine Vorgabe dazu, dass Versuchstiere nach Abschluss der Versuche von einem Tierarzt gesund zu pflegen sind. Darüber hinaus stellt der von Ihnen zitierte $ 9 Absatz 4 TschG lediglich eine Ermächtigungsgrundlage dar.

8) Nicht vorhanden


9) Tote Versuchstiere gelten lt. Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 als tierische Nebenprodukte der Kategorie 1.

Tiere, mit denen Toxizitätsversuche durchgeführt wurden, gelten nach Tötung als gefährliche Abfälle/Giftmüll und sind somit eine potentielle Gefahr für die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt.
Sonderabfall unterliegt der gesetzlichen Nachweispflicht, dafür ist in NRW die LANUV zuständig.
Das bedeutet, dass Sonderabfall in NRW nur nach Ihrer vorheriger behördlicher Genehmigung vom Abfallerzeuger zu einer zugelassenen Verwertungs- oder Beseitigungsanlage transportiert werden darf.

Welche zugelassenen Abfall/Verwertungsfirmen sind in NRW mit der Entsorgung/Verwertung toter Versuchstiere, insbesondere von Universitäten und Instituten betraut, die toxikologische Auftragsforschung betreiben, wie die Firma Covance (LabCorp) in Münster?


Siehe Frage 11

10. Wird das Material verarbeitet und an energieerzeugende Firmen (Elektrizitätswerke, Biogasanlagen ect.) geliefert?
Siehe Frage 11

11. Verfügen die für die Entsorgung der hochtoxischen Tierleichen zuständigen Tierversuchslabore oder deren Verwertungsfirmen über Verbrennungslagen mit entsprechenden Filtern?
Die Fragen 9 -11 werden zusammen beantwortet.


Ganze Tierkörper und alle Körperteile von für Tierversuche verwendeten Tieren sind veterinärrechtlich nach Artikel 8 Buchstabe a) Nr. iv) der Verordnung(EG) Nr. 1069/2009 Material der Kategorie 1.
Material der Kategorie 1 im Sinne des Artikels 8 Buchstabe a) bis g) der Verordnung EG Nr. 1069/2009, sowie Material der Kategorie 2 im Sinne des Artikels 9 Buchstabe b) bis h) der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 - ausgenommen Milch, Kolostrum, Gülle, sowie Magen und Darminhalt unterliegen nach dem Tierische- Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz (TierNebG) der Beseitigungspflicht.
Sie sind dem zuständigen Entsorgungsunternehmen zur Entsorgung zu überlassen.
Weitere Informationen zum Thema Tierkörperbeseitigung erhalten Sie auf der Homepage des LANUV unter:
https://www.lanuv.nrw.de/verbraucher/tiergesundheit/tierseuchenbekaempfung/tierkoerperbeseitigung/


Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Leim




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