Freitag, 14. Oktober 2016

Die Europäische Bürgerinitiative "Stop Vivisection" und die Überarbeitung der Direktive 2010/63 EU


Deutsche Übersetzung des Artikels von Andre Menache:
The European Citizens’ Stop Vivisection Initiative and the Revision of Directive 2010/63/EU


YATLA 44, 383–390, 2016
Comment

Antidote Europe, Perpignan, France

Key words: animal experiments, Directive 2010/63/EU revision, European Citizens’ Initiative.

Address for correspondence: andre.menache@gmail.com


Zusammenfassung - Tierversuche sind für die Öffentlichkeit als fortdauernde Debatte gegenwärtig mit auf der einen Seite forschenden Wissenschaftlern und der Tierschutzbewegung auf der anderen Seite.
Die Gelegenheit, gegen Tierversuche vorzugehen, präsentierte sich in der Form einer Europäischen Bürgerinitiative, "Stop Vivisection" und der Richtlinie 2010/63 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz von Tieren für wissenschaftliche Zwecke. Das Manifest der Initiative forderte von der Europäischen Kommission, diese bestehende Richtlinie zu ersetzen, mit einem neuen Anlauf die Tierversuche abzuschaffen und stattdessen die obligatorische Verwendung von Humandaten als prädiktive Modalität für die Untersuchung von Krankheiten des Menschen und Antworten auf Arzneimittel.
Obwohl es der Initiative gelungen ist, die erforderlichen eine Million Unterschriften zu beschaffen, lehnte die Europäische Kommission schließlich den Vorschlag ab. Allerdings können einige der Lehren aus der Initiative relevant sein, für eine Überarbeitung der Direktive 210/63 EU die 2017 stattfinden wird.

Einführung

Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) ist ein Instrument der Europäischen Union zur teilnehmenden Demokratie, eingeführt durch den Vertrag von Lissabon, mit dem Hauptziel dem Bürger die Teilnahme an der Entwicklung der EU Politik zu ermöglichen. (1) Um sich zu qualifizieren, muss eine EBI die Unterstützung von einer Million EU-Bürger erhalten, die mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten angehören. (2)
Zwischen April 2012 und Juni 2015 wurden insgesamt 51 EBIs offiziell der Europäischen Kommission vorgelegt und 31 davon registriert , aber nur dreien davon ist es gelungen im Parlament angehört zu werden. (3)
Eine von ihnen, die Bürgerinitiative "Stop Vivisection" mit 1.773. 131 validierten, registrierten Unterschriften, wurde am 3. März 2015 bei der EU eingereicht und anschließend im Europäischen Parlament am 11. Mai 2015 angehört.
Das Manifest der Bürgerinitiative "Stop-Vivisection" besagte, dass (4): In Anbetracht klarer ethischer Einwände gegen Tierversuche und solide wissenschaftliche Prinzipien, die das "Tiermodell" ungültig macht für die Vorhersage am Menschen, fordern wir die Europäische Kommission auf, die Richtlinie 2010/63 / EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere außer Kraft zu setzen und einen neuen Vorschlag zu präsentieren, die Tierversuche abzuschaffen und stattdessen - in der biomedizinischen und toxikologischen Forschung - die obligatorischen Verwendung von Daten, die direkt relevant für die menschliche Spezies, sind zu verordnen. Die Gesetzgebung in dem genannten Manifest, das heißt, die Richtlinie 2010/63 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (5), wurde am 22. September 2010 lt. der Webseite der Europäischen Kommission angenommen (6) Die Richtlinie basiert auf dem Prinzip der Drei Rs, die Verwendung von Tieren für wissenschaftliche Zwecke zu ersetzen, zu reduzieren und zu verfeinern. Der Umfang ist jetzt breiter und umfasst auch Föten von Säugetierarten in ihrem letzten Trimester der Entwicklung und Kopffüßer, sowie die Verwendung von Tieren im Sinne der Grundlagenforschung, Hochschulbildung und Ausbildung. Sie legt Mindeststandards für die Unterbringung und Pflege fest und regelt die Verwendung von Tieren durch ein systematisches Auswertungsprojekt , das unter anderem die Beurteilung von Schmerzen, Leiden, Ängste und dauerhafte Schäden bei den Tieren verursacht. Es erfordert eine regelmäßige risikobasierte Kontrolle und verbessert die Transparenz, durch Maßnahmen wie die Veröffentlichung der nichttechnischen Projektzusammenfassungen und eine rückwirkende Bewertung.
Die Entwicklung, Validierung und Umsetzung alternativer Methoden wird durch Maßnahmen wie die Einrichtung eines Referenzlaboratoriums für die Validierung alternativer Methoden gefördert, unterstützt von Laboratorien in den Mitgliedstaaten und die Mitgliedstaaten sollen dazu alternative Methoden auf nationaler Ebene fördern.
Der vorliegende Kommentar wird zwei Fragen überprüfen:
a) die Untermauerung der Strategie der EBI und b) wie die EBI sich auf die Richtlinie 2010/63 / EU auswirken könnte und deren Überprüfung in 2017.
Die Untermauerung der Strategie der EBI Stop Vivisection

Es war die Untermauerungsstrategie der "Stop Vivisection EBI", die Verwendung von Tiermodellen, im Lichte der evidenzbasierten Wissenschaft und wissenschaftlicher Theorie zu überprüfen. Die Verwendung von Tiermodellen ist das aktuelle Paradigma in der biomedizinischen Forschung (7-10). Tierversuche werden der Öffentlichkeit als eine laufende Debatte zwischen Forschern und der Tierschutzgemeinschaft präsentiert oder alternativ als eine Kosten-Nutzen-Rechnung, wo das Leiden der Tiere gegen den medizinischen Nutzen für Menschen aufgerechnet wird. Beide Ansätze sind problematisch, da das Format der Debatte grundsätzlich asymmetrisch ist. Im ersten Ansatz neigen die Forscher dazu, in Bezug auf den medizinischen Fortschritt zu argumentieren, während Tierschutzgruppen in Bezug auf das Leiden der Tiere argumentieren. Im letzteren Ansatz kann man nicht das Leiden der Tiere und den potenziellen Nutzen für den Menschen mit der gleichen Währung messen. Das Schaden-Nutzen Analyseverfahren bleibt ein "Vergleich zwischen Äpfeln und Orangen", aber Verbesserungen im ethischen Beurteilungsverfahren, wurden als Weg in die Zukunft vorgeschlagen.
(11) Zum Beispiel würde die Aufnahme von Personen mit Fachwissen in tierfreier Forschung in den Überprüfungs-Prozess gerechtere Wettbewerbsbedingungen herstellen als das derzeitige System (12).

Die Gesellschaft hat jedoch das Leiden der Tiere deshalb akzeptiert, weil sie annimmt, dass es zu einem erheblichen Nutzen für die Menschheit führen wird. In den Worten von Giles (13):
In der umstrittenen Welt der Tierforschung ist es eine Frage der Zeit und eine Frage, wie nützlich sind Tierversuche, als eine Möglichkeit für Studien von medizinischen Behandlungen beim Menschen?
Das Thema ist von entscheidender Bedeutung, weil die öffentliche Meinung nur hinter der Tierforschung steht, wenn sie von entscheidender Bedeutung dafür ist, bessere Medikamente für Menschen zu entwickeln. Folglich beharren Wissenschaftler darauf, das Tierversuche für sichere klinische Prozesse notwendig sind, während Tierschutzaktivisten vehement behaupten,, dass sie nutzlos sind.

Die Tiere werden in der Wissenschaft auch in einer Weise verwendet, die mit ihrer Verwendung als vorrausagende Modelle nichts gemeinsam haben. Beispiele umfassen die Verwendung von tierischen Herzklappen oder die Bereitstellung von Tieren als Bioreaktoren um monoklonale Antikörper zu produzieren, wofür das es schon einen gültigen und alternativen Ersatz gibt (menschliche Herzklappen und so genanntes Phage-Display).
Bedeutungsmäßig gibt es jedoch keine Alternative zu einem Prozess der unwirksam ist.
Ein Paradigma, das nicht wirksam oder funktional ist, sollte aufgegeben werden und sollte nicht allein wegen der Tradition weiterverfolgt werden. Die Miasma Theorie der Krankheiten wurde aufgegeben, als es noch den Aderlass gab, trotz der Tatsache, dass der Aderlass Krankheiten heilte für die wir heute noch keine Heilung haben.
Daher liegt der Schwerpunkt der "Stop-Vivisection" EBI auf der Notwendigkeit für die prädiktive Modellierung auf der Basis menschlicher Daten. Obwohl die Richtlinie 2010/63 / EU in erster Linie besorgt ist, die drei RS anzuwenden (Replacement, Reduction, Refinement), sei darauf hingewiesen, dass die Richtlinie eindeutig die Verwendung von Tieren als Modelle für die Prüfung von Produkten anerkennt, die für Menschen bestimmt sind. Genauer gesagt, Absatz 3 der Richtlinie verweist auf die Direktive 1999/575 / EG Abschluss des Europäischen Übereinkommens zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere durch die Gemeinschaft (14).
In der Direktive 1999/575 / EG heißt es u.a.: Die Bestimmungen der genannten Richtlinie und des Übereinkommens, die die Bedingungen der Produktion und das Inverkehrbringen von Produkten und Substanzen auf den Markt beeinflussen, beinhaltet Tierexperimente. Es ist daher angebracht diese Bestimmungen die zur Errichtung und des Funktionierens des Binnenmarktes dienen, in Augenschein zu nehmen, denn deren Abschluss bildet eines der wichtigsten Ziele der Gemeinschaft. (15).
Richtlinie 2010/63 / EU ist die übergeordnete Gesetzgebung für den Schutz von Tieren, die für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden, während die spezifische Gesetzgebung sich auf verschiedene Sektoren erstreckt, in denen Tiere als Testobjekte verwendet werden (zum Beispiel in der der Biozid-Produkte-Verordnung 528/2012 / EU, die REACH Verordnung 1907/2006 / EG und die Richtlinie 2003/63 / EG für Medizinprodukte zur Anwendung beim Menschen ).

Paragraph 4.2.2 der Richtlinie 2003/63 / EG, über Medizinprodukte für den menschlichen Gebrauch besagt: Das pharmakokinetische Programm wird den Vergleich und die Extrapolation (Hochrechnung) zwischen Tier und Mensch ermöglichen.
Ziffer 4.2.3 bezieht sich auf die Einzeldosis und die Toxizität bei wiederholter Verabreichung.
In der Kategorie der Reproduktionstoxizität wird auf die Verwendung von zwei Tierarten abgezielt:
Die Embryo / fetale Toxizität wird normalerweise an zwei Säugetierarten durchgeführt , von denen eine ein Nagetier sein sollte (16).
Daher war die Gesamtstrategie der " Stop-Vivisection" EBI, diese Theorie in Frage zu stellen, die der Richtlinie 2010/63 / EU anhaftete - dass das Ergebnis der Verwendung von Tiermodellen als Mittel zur Vorhersage bezüglich Arzneimitteln, Industriechemikalien und Krankheiten für den Menschen gelten würde. Die aktuelle Verwendung von Tiermodellen, ist auf der Vorstellung gegründet, dass eine Spezies einen prädiktiven Wert für eine andere hat. Diese Annahme stammt aus dem 19. Jahrhundert, als Spezies auf der Ebene der biologischen Organisation untersucht wurden, ähnlich der Gross-Morphologie (17).
Derzeit werden verschiedene Tiermodelle verwendet, um festzustellen, wie sich eine Störung, wie ein Arzneimittel oder eine Krankheit des Menschen auf höheren Organisationsebenen auswirkt. Greek et al. Ausführlich.. (18-28).

Es ist seit langem bekannt, dass die Mechanismen der Toxizität zwischen den Spezies häufig sehr unterschiedlich sind und doch bleibt der Tierversuch aus historischen Gründen der "Goldstandard". Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) und andere Aufsichtsbehörden, die den Prozess der Alternativen zu Tierversuchen bewerten, mit dem Ziel der Entwicklung von Modellen die wirklich aussagekräftig für die menschlichen Mechanismen der Toxizität und für die Begrenzung der in-vivo Toxikologie Tests (29)sind.

Die EBI hat vorgeschlagen, dass die Richtlinie mit Vorschriften ersetzt wird, die aktuellen evidenzbasierten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht. Tatsächlich heißt es in dem Einleitungssatz des § 39 der Richtlinie: Es ist absolut notwendig, sowohl aus moralischen, als auch aus wissenschaftlichen Gründen, sicherzustellen, dass jede Verwendung eines Tieres sorgfältig auf die wissenschaftliche oder lehrmäßige Stichhaltigkeit, die Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit(Brauchbarkeit) und Relevanz des erwarteten Ergebnisses(Folge) dieses Gebrauches zu überprüfen. (5).

Am 11. Mai 2015 fand die offizielle Anhörung der "Stop-Vivisection" EBI im Europäischen Parlament in Brüssel statt. Vorträge wurden von drei Vertretern der EBI gehalten: Gianni Tamino, Professor für Biologie und Bioethik an der Universität Padua, Italien; Claude Reiss, Physiker und Zellbiologe und Präsident einer Non-Profit-NGO (Antidote Europe); und Andre Menache, Tierarzt und Direktor von Antidote Europe (30). Zusätzlich zu den Vorträgen, wurde der EU ein 107-seitiges Dossier vorgelegt. (31).
Das Dossier enthielt 10 Vorschläge, um Tierversuche allmählich einzustellen und die Anwendung validierter tierfreier Verfahren zu beschleunigen.
Die EBI forderte auch die Validierung der Verwendung von Tiermodell um menschliche Reaktionen in Bezug auf Arzneimitteltests und als Krankheitsmodelle vorhersagen. Schließlich hat das Dossier den Einfluss auf die öffentliche Gesundheit und die Umwelt der EU Verfahrensweisen untersucht, die auf der Grundlage von Sicherheitsdaten durch Tierversuche geführt werden (zum Beispiel der Biozid-Produkte-Verordnung 528/2012 / EU, die REACH-Verordnung 1907/2006 / EG und die Richtlinie 2003/63 / EG in Bezug auf Arzneimittel für den menschlichen Gebrauch).

Die "Stop Vivisction" EBI hat ihre Argumente durch empirische Beweise, der Komplexitätstheorie und der Evolutionsbiologie abgeleitet, um die Gültigkeit(Stichhaltigkeit) des Gebrauches von Tiermodellen zu bestreiten. Empirisch können Tierdaten auf der Grundlage der Empfindlichkeit und Genauigkeit bewertet werden, besonders im Feld der Durchführungstoxikologie. (27). Sowohl in vitro als auch in vivo Daten deuten darauf hin, dass Tiere das menschliche Ergebnis und umgekehrt (vice versa) nicht voraussagen: mehrere Studien, einschließlich systematischer ezensionen(Überprüfungen), haben gezeigt, dass Tierdaten menschliche Ergebnisse nur ungefähr zur Hälfte vorausgesagt haben (32-35). Huang et al. (36) hat beobachtet, dass die menschliche in-vitro-Daten-Zelllinie nicht vorhersehbar war, im Vergleich zu Tiertoxizitätsdaten im Rahmen des Tox21 10K-Programm und durch die Verwendung des quantitativen Hochdurchsatz -Screening.

In Bezug auf die Anzahl der Tiere ist die Kategorie "biologische Untersuchungen von grundsätzlicher Natur", verantwortlich für den größten Einsatz von Tieren in der EU (46,1%; 37);
und dient dazu, für die weitere Finanzierung der Grundlagenforschung mit Tieren, erhebliche finanzielle Unterstützung zu erhalten. Zwischen 2007 und 2013 hatte das 7. Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung (RP7) ein Gesamtbudget von über 50.000.000.000 € (50 Milliarden) zur Verfügung (38).
Derzeit ist Horizont 2020 das größte EU-Forschungs- und Innovationsprogramm aller Zeiten, mit fast 80.000.000.000 € (80 Milliarden) zur Verfügung stehender Mittel, mehr als zuvor in den sieben Jahren 2014 bis 2020 und "verspricht mehr Durchbrüche, Entdeckungen und Welt-Premieren von großen Ideen aus dem Labor, für den Markt. (39).

Die Überarbeitung der Richtlinie 2010/63 / EU, die für 2017 geplant ist, ist eine gute Gelegenheit, die Behauptungen von (medizinischen) Durchbrüchen und Entdeckungen zu bewerten, die grundlegenden (elementaren) Tierforschungsstudien, in Bezug auf die Übertragbarkeit in klinisch nützliche Behandlungen zugeschrieben wird. Um die frühere Aussage von Giles zu paraphrasieren (13), ist die Frage entscheidend, ob die Gesellschaft Tierforschung nur toleriert, wenn sie hilft, bessere Behandlungsmethoden zu entwickeln - und doch bestehen in diesem Bereich nur wenige wissenschaftliche Überprüfungen.
Eine Übersicht, geleitet durch Contopoulos Ioannidis et al. (40), untersuchte die Translationsrate von 25.000 "vielversprechenden" veröffentlichten Artikeln zum Thema Grundlagenforschung, in führenden wissenschaftlichen Zeitschriften zwischen 1979 und 1983. Crowley (41), analysierte die Ergebnisse dieser Übersicht und deutete an, dass die Übertragungsrate der Grundlagenforschung in der klinischen Anwendung sehr niedrig ist, in diesem Fall 0,004%. Ioannidis kam zu dem Schluss, dass:
Evidenzbasierte Medizin scheint nicht in die grundlegende(elementare) und vorklinische Wissenschaft eingedrungen zu sein, indessen wird Grundlagen- und Vorklinische Forschung häufig in einem klinischen und methodischen Vakuum durchgeführt.

Die niedrige Rate der Übertragung von Ergebnissen in Tiermodellen in klinische Anwendungen wird durch unser aktuelles Verständnis der Evolutions- und Systhembiologie unterstrichen. Zum Beispiel berichteten Seok u. a. (43) dass Mausmodelle sehr armselig menschliche entzündliche Krankheiten immitieren und eine nur zufällige Ähnlichkeit zwischen der genomischen Antwort von Mauszellen auf Entzündungen und ihren menschlichen Genkollegen beobachtet haben.
Mestas und Hughes (44) haben auf wichtige Artenunterschiede in den Immunsystemen von Mäusen und Menschen (45) hingewiesen, während Yue u. a. diese Artenunterschiede in Bezug auf die artenspezifische Genregulierung erklärt(45). Solche Artenunterschiede erstrecken sich auch auf den Gebrauch von nichtmenschlichen Primaten (46, 47). Außerdem hat die Existenz von Polymorphisms innerhalb der Arten (Polymorphismus = Auftreten mehrerer Genvarianten innerhalb einer Population) und nicht zuletzt in Menschen, Implikationen für die vorklinische Einschätzung von neuen Arzneimittelkandidaten.(48, 49)

Abschließend sei gesagt, obwohl sich menschliche und nichtmenschliche Säugetiersysteme konservierte Prozesse auf niedrigen Ebenen teilen mögen oder Module der biologischen Organisation (zum Beispiel Hox Gene), so sind solche Module für die Interspezies -Hochrechnung unzureichend, wenn man sie auf höheren Ebenen der Organisation, wie beispielsweise in Körpersystemen (50) untersucht . Entwickelte komplexe Systeme sind viel mehr als die Summe ihrer Teile und sind nicht auf die gleiche Art zugänglich wie es einfache Systeme sind (51). Es ist sehr gut bekannt, dass komplexe Systeme Eigenschaften entwickeln, die hervorkommen und zeigen, dass eine Hochrechnung zwischen verschiedenen Tierarten praktisch unmöglich ist. (27). Nach Koch, sind solche Systeme (beispielsweise das Säugetier-Immunsystem) charakterisiert durch "eine große Anzahl von sehr heterogenen Komponenten, wie Gene, Proteine oder Zellen." Diese Komponenten interagieren kausal, in vielfältiger Weise, in einem sehr großen Spektrum der Raumzeit , von Nanometern bis zu Metern und von Mikro - Sekunden bis Jahren "(52).

In den USA kündigte das National Institutes of Health (NIH), die größte biomedizinische Forschungseinrichtung der Welt, vor kurzem an, dass es die biomedizinische Forschung an Schimpansen" nicht mehr finanzieren wird (53). Die NIH Ankündigung kommt als Reaktion auf einen wissenschaftlichen Bericht des US Institute of Medicine (IOM), 2011 in Auftrag gegeben, in dem die IOM zugab, nicht einen einzigen Bereich zu finden, wo Schimpansen für die Erforschung von Krankheiten wesentlich sind (54).
Wenn das NIH bereit ist, das "beste Tiermodell " das zur Verfügung steht aufzugeben, welche Auswirkungen hat die Forschungsfinanzierung wo die verwendeten Tierarten evolutionär noch weiter entfernt vom Menschen sind, einschließlich anderer Primaten, Hunde, Ratten, Mäuse, Zebrabärblinge und Finken?

War die "Stop Vivisection" EBI als eine Übung in Partizipatorischer Demokratie erfolgreich?

Die Sitzung vom 11. Mai 2015 vor dem Europäischen Parlament war eine Gelegenheit für die Organisatoren der EBI, ihren Fall zu präsentieren. Die Anhörung wurde unter der Schirmherrschaft von vier parlamentarischen Ausschüssen ((Agriculture and Rural Development, AGRI; Environment, Public Health and Food Safety, ENVI; Industry, Research and Energy, ITRE; and the Committee on Petitions, PETI) organisiert. Einleitende Bemerkungen wurden von dem EU-Vizepräsident Jyrki Katainen und dem ENVI Generaldirektor Karl Falkenberg gemacht, gefolgt von drei Diskussionsrunden. Jede Runde begann mit einer Repräsentation von einem von drei Experten, ernannt von der AGRI: Ray Greek, Präsident der Americans for Medical Advancement (afma-curedisease.org); Francoise Barre-Sinoussi, Gewinnerin des Nobelpreis für Physiologie oder Medizin 2008, die im Namen der Europäischen Vereinigung der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (efpia.eu)sprach; und Emily McIvor von der Humane Society International (hsi.org/world/europe).
Greek und McIvor sprachen sich für die EBI aus, während Barre-Sinoussi dagegen sprach.

Im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen EBI Anhörungen (Right2Water und One of Us), wurde die "Stop Vivisection" EBI Debatte, mit Sprechern für oder gegen uns organisiert. Im Endergebnis der organisierten Debatte erhielten die Organisatoren der "Stop Vivisection" EBI während der dreieinhalbstündigen Anhörung zusammen nur 34 Minuten Sprechzeit.

Das gesamte Verfahren ist auf der offiziellen Website der EU zu sehen: http://www.europarl.europa.eu/news/en/news-room/20150507IPR53142/AGRI-ENVI-ITREPETI-
11052015-15.00-18.30).

Weitere Nachteile der EBI waren rechtliche Auflagen und bürokratische Hürden. So wurden beispielsweise fast die Hälfte der vorgeschlagenen EBIs für unzulässig erklärt, auf Grund der engen rechtlichen Interpretationen, weil viele Bürger durch übermäßige Personalangaben-Voraussetzungen einiger EU Mitgliedsstaaten am Unterschreiben gehindert wurden. Ein Mangel jeglichen Einflusses auf die EU-Gesetzgebung, wie die drei ersten 'erfolgreichen' EBIs demonstriert haben, deutet auf einen Mangel an Transparenz und Verantwortlichkeit seitens der EU hin. Aufrufe nach Verbesserung haben darauf gezielt, die Registrierungsvoraussetzungen zu vereinfachen und drängt die EU, auf erfolgreiche EBIs mit konkreten Handlungen einschließlich Gesetzesvorschlägen zu antworten, sind von der funktionierenden Kampagnengruppe “For a European Citizen" vorgebracht worden” (55).
Obwohl die EU die" Stop Vivisection " EBI schließlich abgelehnt hat, darunter alle zehn Vorschläge, die in den Unterlagen enthalten waren und am 11 .Mai 2015 eingereicht wurden, erzeugte die Parlamentarische Anhörung lebhafte öffentliche Debatten, zusätzlich zu der breiten Berichterstattung in den Medien (56-63).

Michael Balls, ein ehemaliger Direktor von ECVAM hat das zur Kenntnis genommen:

Die Bürgerinitiative hebt zwei wichtige Punkte hervor: viele Tiermodelle sind nicht gültig für die Vorhersage menschlicher Reaktionen und die biomedizinische Forschung und Prüfung, braucht verzweifelt Tests, die unmittelbar für die menschliche Spezies relevant sind. (64) Die "Intergroup on the Welfare and Conservation of Animals" des Europäischen Parlamentes kommentierte:
Eine EU-Strategie ist notwendig, um Innovation und die Aufnahme der humanen modernsten Methoden zu fördern.
Das sollte auch zu einer Paradigmenverschiebung beitragen, um aufzuhören auf den Gebrauch von Tieren als eine "goldene Regel" zu vertrauen und anzuerkennen, dass das Vorrücken des medizinischen Fortschritts, der Forschung und der Innovation mit Methoden möglich ist, die nicht auf Tierexperimente (65) baut.

In der am 3. Juni 2015 offiziell herausgegebenen Pressemitteilung der EU rechtfertigte Vizepräsident Jyrki Katainen die Entscheidung der Kommission, in dem er sagte: Die "Stop Vivisection" Bürgerinitiative ist in einer Zeit des Übergangs gekommen - dank großen technologischen Fortschritten, wurde in Europa die Verwendung der Tierversuche verringert. Allerdings wäre ein vollständiges Verbot von Tierversuchen in der EU verfrüht und es bestünde die Gefahr, die biomedizinische Forschung aus Europa zu vertreiben. (66).

Laut der EU ist die Richtlinie noch nicht lange genug in Kraft, um Rückschlüsse auf ihre Wirksamkeit zu ziehen. Die Kommission plant sie im Jahr 2017 zu überprüfen und die Verfügbarkeit alternativer Ansätze zu betonen. Darüber hinaus verlangt die Richtlinie einen Umsetzungsbericht im Jahr 2019. Diese Berichte werden die erste Schätzung sein, um den Erfolg der Ziele der Richtlinie zu überprüfen (66). Der Revisionsprozess (wie oben von der EG beschrieben) scheint die Dringlichkeit der Anpassung der bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang mit der aktuellen evidenzbasierten Wissenschaft zu ignorieren. Tierbasierte Forschung ist für die wissenschaftliche Überprüfung, seit ihrer Gründung weitgehend immun geblieben; in der Tat wurden die meisten Tierversuche nie einer formellen Validierung unterzogen.
In den Worten eines ehemaligen Beamten der FDA: Die meisten der Tierversuche, die wir akzeptieren, wurden nie validiert. Sie entwickelten sich in den letzten 20 Jahren und die FDA hat es bequem mit ihnen (persönliche Mitteilung von Anita O'Connor, von der FDA "Office of Science" 1998). Darüber hinaus wurden Tierversuche nur selten Meta-Analysen und systematischen Überprüfungen unterzogen. Systematische Rezensionen(Überprüfungen) von Tierversuchen demonstrieren ein armseliges menschliches, klinisches und toxikologisches Dienstprogramm (19, 67). Es gab auch Aufrufe für einen formellen Nichtgültigkeitsprozess, weil "viele derzeit anerkannte Tierversuche und Versuchstierkandidaten- und non- animal -tests" nie den vereinbarten Kriterien für die Notwendigkeit der Testentwicklung, der Prä-Validierung, der Validierung und Akzeptanz " liefern konnten und es auch nie liefern werden (68).

Schlussfolgerung

Die Überarbeitung der Richtlinie 2010/63 / EU ist eine neue Chance, kritisch die Gültigkeit der Verwendung von Tiermodellen im Licht der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu untersuchen. Die redaktionelle Ansicht, die kürzlich im British Medical Journal veröffentlicht wurde, ist ein wichtiger Beitrag zur Debatte: "Wie prädiktiv und produktiv ist Tierforschung ?" (69) und "basiert die Tierforschung auf ausreichenden Beweisen, um ein Eckpfeiler der biomedizinischen Forschung zu sein?" (70). Die Überarbeitung der Richtlinie ist auch eine passende Zeit, um das Beweiskonzept und die Frage wo die Beweislast liegt, in der Wissenschaft zu diskutieren. "Wie beim Gesetz liegt es bei dem Antragsteller (Anzeigenerstatter). Die Nullhypothese verlangt, dass wir annehmen, dass es keine Verbindung zwischen den Ereignissen gibt, bis die Ursache nachgewiesen wird. Somit sind es diejenigen die behaupten, das Tiermodelle zur Vorhersage der menschlichen Reaktionen im Zusammenhang mit der biomedizinischen Forschung tauglich sind, zeigen müssen, dass das, was sie behaupten wahr ist "(28).
Die "Stop Vivisection" EBI wurde als eine Win-Win-Übung angedacht, in der das unnötige Leiden der Tiere, durch evidenzbasierte Wissenschaft zum Nutzen des Menschen, ersetzt wird.
Bei der öffentlichen Anhörung am 11. Mai 2015 wurde die Position der "Stop Vivisection" EBI so zusammengefasst: "Die größte Herausforderung für die Europäische Bürgerinitiative ist nicht die Wissenschaft, es ist die Kommunikation.
Die Idee hinter der EBI war das Niveau der Debatte vom einfachen Tierschutzgedanken auf die Frage der "Gültigkeit des Tiermodells" zu erhöhen und was wir heute getan haben, ist eine sehr oberflächliche Berührung mit der Wissenschaft.
Und worum wir die Europäische Kommission bitten möchten, ist eine wissenschaftliche, öffentliche Debatte zu organisieren, ähnlich einer Jury, ( nicht wo die Experten nur 10 Minuten Zeit haben, sondern wo wir 3 oder 4 oder 5 Tage haben) um die Fragen wissenschaftlich, mit Experten beider Seiten, zu erörtern .
Wenn wir dies nicht tun, wenn wir nicht eine ernsthafte wissenschaftliche Diskussion abhalten, lassen wir die 1,17 Millionen Menschen die die EBI unterzeichnet haben zurück, lassen wir die Tiere zurück und lassen wir Patienten zurück, die Heilung durch eine personenorientierte Medizin wollen und keine Tierversuche. (71).
Ende


Meeting mit Andre Menache und Gisela Urban in Brüssel


Bei der Verhandlung der Europäischen Bürgerinitiative "Stop Vivisection" in Brüssel. Gisela Urban und Prof. Claude Reiss, u.a..





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